Über die Polarographie

von Björn Schulz, Berlin 2003

Prinzip und Grundlagen der Polarographie

polarographische Messanordnung (Schema)


I. 1. Anfänge (historischer Überblick)

In der Zeit von 1922 - ca. 1941/42 stand die Deutung von Polarisationskurven an der tropfenden Quecksilberelektrode (DME) als Ergebnis der Polarographie im Vordergrund polarographischer Untersuchungen, danach wurde das analytische Verfahren der Polarographie weitgehend "validiert".

Das Kernstück der polarographischen Untersuchungen bildeten und bilden dabei die Quecksilberelektroden (Quecksilberstrahlelektroden, Quecksilberkapillarelektroden), z.B.

  • Hg-Tropfelektroden
  • Hg-Strahlelektroden
  • hängender Hg-Tropfen
  • rotierende, bzw. vibrierende Hg-Elektroden

Der edle Charakter des Quecksilbers als geeignetes Elektrodenmaterial wegen der relativ hohen Wasserstoffüberspannung ist dabei schon früh bekannt gewesen, selbst seit Faradays Zeiten ist die vollständige Reinigung bekannt gewesen.

I. 2. Vorgänger

  1. statische Methode

    1873 untersuchte Lippmann die Veränderung der Oberflächenspannung von Quecksilber in Abhängigkeit vom angelegten Potential mit Hilfe der Veränderung des Meniskus in einer Kapillare als polarisierbare Elektrode, den Gegenpol bildete eine unpolarisierbare Quecksilberschicht als Elektrode 2. Art. Die Verschiebung des Meniskus war Indikator für die Änderung der Oberflächenspannung gemäß
    2 π rK γ = π rK2 h s g
    (rK - Kapillarradius; γ - Oberflächenspannung; h - Höhe d. Hg-Säule; s - spez. Gewicht v. Hg)
    Praktische Anwendung dieses Prinzips findet sich im Kapillarelektrometer wieder.

    Die Abhängigkeit der Oberflächenspannung zum Potential ist durch die Elektrokapillarparabel wiedergegeben.

    Elektrokapillarparabel
    Abb. 01: Elektrokapillarparabel, Oberflächenspannung
    aufgetragen gegen Potetial, mit Maximalwert

  2. dynamische Methode

    B. Kučera verwendete 1903 die Hg-Tropfelektrode, dabei wog er das Gewicht abfallender Tropfen und kam zu folgendem Zusammenhang:

    mTropf t g = 2 π rK γ
    (mTropf - Masse abfallender Hg-Tropfen; m - Hg-Menge, in der Polarographie üblicherweise als "Massenstrom" m bezeichnet, in [g/s]; t - Zeit, g - Erdfallbeschleunigungskonstante, andere v.s.)

    Folgerung: m ¬ ~ paufKapillare, m ~ γ

    Die dynamische Methode ist also eine Methode, bei der die Oberfläche der Hg-Elektrode in ständiger Bewegung ist.

  3. Übergang zur Polarographie

    Kučera beobachtete bei der Untersuchung von Elektrokapillarparabeln bei stark verdünnten Elektrolytlösungen sowie bei Lösungen niederer Fettsäuren einen anormalen Kurvenverlauf:

    a) normale Elektrokapillarparabel, b) anormaler Kuvenverlauf
    Abb. 02: a) normale Elektrokapillarparabel, b) anormaler Kuvenverlauf

    Kučera beauftragte Jaroslav Heyrovský und Šimůnek 1918 mit der Untersuchung dieses Sachverhaltes. Zunächst kam es zu keiner Klärung, später erkannte man dieses Problem im Zusammenhang mit Turbulenzen des Elektrolyten an der Oberfläche der Elektrode.

    Heyrovský befasste sich allerdings weiter mit der Hg-Elektrode, er verzichtete auf das Wiegen der Tropfen, und baute ein Spiegelgalvanometer, ein niederohmiges Potentiometer ein (10Ω - 20Ω).

    Er veröffentlichte seine Ergebnisse, die Strom-Spannungskurven 1922 und von da an begannen die polarographischen Untersuchungen.

Jaroslav Heyrovsky
Jaroslav Heyrovský, Mit freundlicher Genehmigung:
Jitka Podzimkova, Internet Team - Radio Prague

Wichtige Daten zur Person

20. Dezember 1890 (Prag) - 27. März 1967
1922 Prof. für PC in Prag
1925 Entwicklung der Polarographie
1950 polarographisches Institut in Prag
10. Dezember 1959 Nobelpreis für Chemie

II. Polarographische Messanordnung

Eine polarographische Messanordnung sieht wie folgt aus:

klassische polarographische Messanordnung
Abb. 03: klassische polarographische Messanordnung

Dabei ist auf die Entfernung von Sauerstoff in der Probelösung zu achten, eine inerte Atmosphäre gewährleistet werden. (Novák, Kalousek, Šerák).

Der Radius rK beträgt in der Regel 0,05 - 0,08 mm, die Behälterhöhe bedingt die Tropfzeit, die etwa zwischen 2 - 4 s liegt.

Der Strom wurde ursprünglich mit einem gedämpften Spiegelgalvanometer, heute allerdings mit speziellen elektrischen Messschaltungen erfasst.

Ist die elektromotorische Kraft Null (EMK = 0), dann liegt ein Kurzschluss vor.

Der Einfluss des Potentiometerwiderstandes ist für die Genauigkeit der Messung maßgebend, er muss möglichst klein sein.

II. 2. Polarisation an der Hg-Tropf-Elektrode und Depolarisationsvorgänge

Nach dem Ohmschen Gesetz gilt:

I  =    
EV
  Þ I =   
EV − P
R
R
P: Polarisation (EMK), EV: angelegte äußere Spannung

p = EV − I R

Bei Anwesenheit eines indifferenten (nicht an elektrochem. Prozessen beteiligten) Grundelektrolyten und einem Strom I = 10−5 A ergibt sich:

p = EV Þ EK = − EV + EA ~ − EV, da
− EV = const., die Gegenelektrode ist unpolarisierbar, nur die Hg-Elektrode bedingt die Polarisation.

Also gilt bei Potentialkurven: EK ~ − EV, I ~ E.

Bei anderen Bezugselektroden, als z.B. reines Bodenquecksilber, führt zu identischen Kurvenverläufen, die verschoben sind in Richtung der Potentialdifferenz.

Das heißt: Die Gestalt der Strom-Potential-Kurven hängt nicht vom Potential der Bezugselektrode ab, sondern vom Potential der polarisierten Tropfelektrode (und dieses von der Beschaffenheit der Elektrolytlösung).

Wichtige Merkmale:

  • Wanderung der Ionen zur Elektrode erfolgt durch Überführung infolge des elektrischen Feldes und durch Diffusion, da infolge des Verlaufes der Elektrolyse sich ein Konzentrationsgefälle zwischen Elektrodenraum und Lösung ausbildet
  • Kationen an der Kathode abgeschieden, so dass sich die Konzentration im Kathodenraum laufend verringert
  • Es bildet sich eine Konzentrationskette, deren Urspannung der angelegten Spannung entgegenwirkt (Konzentrationspolarisation)
  • Zugabe eines anderen Elektrolyten in genügend groszlig;er Konzentration → Migration (Überführung) tritt zurück, Diffusion bedingt allein nur noch den Ladungstransport, es stellt sich konstanter Grenz- Diffusionsstrom ein

II. 2. 2. Polarogramme

Als Messergebnis steht am Ende einer polarographischen Analyse das Polarogramm. Es kann unterschiedlich je nach Wahl der polarographischen Methode beschaffen sein, trägt jedoch stets die selben chemischen Informationen, die dem Analytiker von Bedeutung sind. Polarogramme sind im Allgemeinen Kurven, bei denen einem angelegten Potential (bzw. Spannung) auf der Abzisse eine Stromstärke auf der Ordinate zugeordnet sind. Ganz klassisch ergeben sich Zickzackkurven bei Messungen mit der DME, bei modernen Verfahren wird die Kurve mit Hilfe eines Rechners (früher mit speziellen kompliziertern Schaltungen) aufgearbeitet, mit Hilfe eines Integrators oder eines Rechners kann man die Kurve in die Form dI/dU = I' überühren, um eine zeitgemäße Analyse abgeben zu können.

Ein Beispiel für ein (klassisches) Polarogramm könnte so aussehen:

polarographisches Spektrum
Abb. 04: Polarogramm mit vielen polarographischen Stufen
(sog. polarographisches Spektrum)

  1. Strom-Spannungskurve von 1n KCl

    Bis 1,8 V Polarisationsstrom (sog. Kapazitätsstrom: Elektrode lädt sich auf, wie ein Kondensator)

    Ist P ≥ 1,8 V, erfolgt eine Verminderung um I R:
    P = EV − I R

    Die Polarisation wird dann bei jedem Prozess an der DME vermindert, wenn dieser mit einer Elektronenübertragung (Stromdurchgang) verbunden ist, i.e.

    Depolarisationsvorgänge werden durch anwesende Stoffe, die reduziert (geben Elektronen ab: Kathode) oder oxidiert (nehmen Elektronen auf: Anode; merke stets "anodische Oxidation") werden, hervorgerufen, in der Polarographie werden diese daher Depolarisatoren genannt.

    Es gilt:   P = EAnode − EKathode
    P = EV − I R
       Þ   EK = − EV + EA
    EA:= 0
    EK = − EV

    Aus EK = − EV ist ersichtlich, dass die angelegte äußere Spannung durch das Potential an der Kathode (hier: DME) bestimmt wird, das Potential der Anode ist je nach Bezugssystem maßgeblich, kann daher als konstant angesehen werden, was für den Kurvenverlauf nicht von Bedeutung ist, man kann daher EA:= 0 definieren.

    Falls EK > 1,8 V ist, wird eine Abscheidung von Kalium-Ionen hervorgerufen, anders ausgedrückt:
    K+-Ionen verhindern, dass die Polarisation über 1,8 V liegt.

  2. Strom-Spannungskurve von 1n KCl mit Spuren von Pb2+, Cd2+, Zn2+

    Neben Kaliumionen werden hier andere Ionen abgeschieden. Man kann diese an den "Stufen" in dem Polarogramm erkennen.

    Es baut sich ein Kapazitätsstrom auf, bis das erste Abscheidungspotential erreicht wird etc.

    An der DME laufen dabei nacheinander folgende Reaktionen ab:

    Pb2+ + 2e → Pb
    Cd2+ + 2e → Cd
    Zn2+ + 2e → Zn
    K+ + e → K

    Ein Polarogramm organischer Substanzen sieht dann so aus, die entsprechenden Reaktionen sind angegeben:

    elektrochemische Reaktionen in den Stufen Originales Polarogramm, Quelle und Polarograph unbekannt.

  3. Abb. 05: Polarogramm zweier organischer Substanzen

  4. Wir erhalten zwei wesentliche Informationen aus den Polarogrammen:
    1. Qualitativ:
      E1/2 ist charakteristisch für die Art des Analyten (Beschaffenheit dient der Identifikation)
    2. Quantitativ:
      ID ist proportional zur Analytkonzentration (i. e. mit Hilfe einer Eichgeraden oder mit der Ilkovič-Gleichung kann man analytische Bestimmungen mit einer Genauigkeit von in der Regel 1 - 2% durchführen.)

II. 2. 3. I/P-Kurven ohne Konzentrationspolarisation (Exponentialform polarographischer Kurven), ca. 1922

Man erhält bei beträchtlicher Konzentration an Depolarisator einen exponentiellen Stromanstieg. Die Konzentrationspolarisation kommt hier nicht zur Geltung. Das heißt: Auch bei Stromdurchgang ist die Depolarisatorkonzentration an der Elektrodenoberfläche gleich der Konzentration an Depolarisator in der Elektrolytlösung.

Der Prozess an der Kathode (Men+ + n e → Me) bewirkt eine chemische Polarisation des Hg-Tropfens, weil reines Hg in verdünntes Quecksilberamalgam überführt wird.

Es gilt die Gleichung von Nernst:

EK  =   − 
R T
   ln   
k cMe
n F
cMen+

cMen+ - Konzentration in der Elektrolytlösung = Konzentration an der Elektrodenoberfläche; R - allg. Gaskonstante; T - absolute Temperatur in K, k - Konstante, charakterisiert durch elektrolyt. Lösungsdruck v. Me.

Die Konzentration an Me, welches amalgamiert wird, ist proportional von I, also die elektrolytisch abgeschiedene Stoffmenge ist proportional zum Stromdurchgang:

cMe = k* I, cMe ~ I

− EV = EK =    −  
  R T  
   ln 
   k k' <I>   
  Þ  <I> =   
  cMen+  
   exp  − 
 EK n F 
n F
cMen+
k k'
R T

<I> ist abhängig vom Potential an der DME

  dI  
  =  
  n F  
    
  cMen+  
   exp  − 
 EK n F 
dE
R T
k k'
R T

Steigung dI/dE ist abhängig von n (Wertigkeit der Ionen)

II. 3. Der Polarograph

Polarographische Messungen werden in der Regel mit speziellen Messsystemen, die alle wichtigen Komponenten integrieren, durchgeführt. Diese speziellen Messsysteme werden Polarographen genannt.
Der erste Polarograph wurde von Jaroslav Heyrovský und dem Japaner Masuzo Shikata 1925 betrieben. Er bestand zunächst aus einer Messzelle mit DME, der Strom wurde über ein Spiegelgalvanometer, welches eine über eine von einem Motor getriebene Photokassette, registriert, geregelt wurde das ganze von einer Kohlrauschtrommel.

II. 3. 2. Quecksilber-Kapillarelektroden

  1. Quecksilbertropfelektrode (DME)

    Die DME, dropping mercury electrode, besteht aus einer Kapillare, aus der das Quecksilber Tropfenweise heraustropft, sowie einem Quecksilberbehälter. Diese sind über einen Schlauch mit einander verbunden.
    Die Ausflussgeschwindigkeit m ist durch das Gesetz von Hagen-Poiseulle zugänglich:

    m =  
      π rK4 s p  
     = k p
    8 η L

    (π - Ludolfsche Zahl, PI; s - spez. Gew. Hg.; η - Viskositätskoeff. v. Hg; L - Länge Kapillare; P - effektiver hydrostat. Druck)

    PC = hC g s; PR = 2η r−1

    V(Tropfen) = m t s−1 = 4/3 p r3

    r =  (  3 m t  ) 1/3
    4 π s

    Für die Tropfzeit von einem Tropfen gilt:
    t1 = k 1/h; t1 ~ 1/h

    Die Tropfzeit ist antiproportional zur Behälterhöhe.

    Oberfläche A des Quecksilbertropfens:
    A(Hg) = 4 π r2

    A = 4 π r2 = 
    (
    3 m t
    ) 2/3
    4 π 13,6
    = 0,85 m2/3 t2/3

    Mittlere Oberfläche der Hg-Elektrode
    <A> =    1    t1  0,85 m2/3 t2/3 dt = 3/5 0,85 m2/3 t2/3 = 0,51 m2/3 t2/3
    t1
    0

    mechanische Regulierung der Tropfzeit:

    Es gilt: m t = const.

    1948 wurde durch mechanisches abreißen des Tropfens erreicht, dass Ausflussgeschwindigkeit und Tropfzeit unabhängig variiert werden konnten.

    m ~ Behälterhöhe h

    Experimentell ist die Regulierung mit Hilfe verschiedener Methoden möglich:

    • mechanischer Klopfer
    • Wischer
    • hängender Hg-Tropfen
    • Gasdruck↑ Þ hydrostatischer Druck↑, in kurzer Zeit t
  2. spezielle Formen von Tropfelektroden:

    Formen unterschiedlicher Kapillaren von Quecksilberelektroden
    Abb. 06: Formen von Kapillarelektroden

    t(ma) ≥ t(mb) ≥ t(mc)

    Das beste, gleichmäßigste Abtropfen wird mit der mittleren Elektrode erreicht (Smoler, 1953)
    Das Eindringen von Elektrolytlösung in die Kapillare wurde von von Stackelberg durch Silikonieren vermieden.

  3. hängender (stationärer) Hg-Tropfen
    • keine Erneuerung der Hg-Oberfläche
    • stat. hängender Tropfen dient für spezielle analytische Anwendungen, sowie für die Untersuchung der Elektrodenprodukte
  4. rotierende und vibrierende Tropfelektroden
    • Es kommt dabei zu einer Vergrößerung der elektrolyt. Ströme Þ Erhöhung der polarographischen Empfindlichkeit
    • U-förmig geformte Kapillaren
    • Stromstärke hängt ab von:
      • Rotationsgeschwindigkeit
      • Ausflussgeschwindigkeit
      • anderen Faktoren
    • wird die Tropfelektrode zwischen zwei Platinplatten mit anliegender Wechselspannung gebracht, dann kommt es ebenfalls zu einer Erhöhung der Stromstärke, die Schwingungen versetzen die Elektrode dabei in Vibration.

  5. Quecksilberstrahlelektroden
  6. Quecksilberstrahlelektroden dienen in der Polarographie und in der oszillographischen Polarographie, die hohe Ausflussgeschwindigkeit bewirkt u.U. f. d. Polarographie sehr hohe Ströme (I ≥ 10−3 A). Wegen der hohen Polarisierung werden andere, spezielle Bezugselektroden erforderlich. Oberflächenprozesse bewirken ein Mitreißen der elektrochemischen Doppelschicht, was besondere Auswirkungen auf die Prozesse an der Oberfläche der Elektrode haben kann (v.s.).

II. 3. Vorteile der Hg-Tropfelektrode DME

  • ständig sich erneuernde, regenerierende Oberfläche bedingt gute Reproduzierbarkeit, sie erlaubt beliebig wiederholbare Messungen im gleichen Elektrolyten, man erhält immer die gleichen I-U-Kurven, gleichgültig, ob eine wachsende oder sinkende äußere Spannung anliegt, die Elektrode vermindert Passivierung und "Vergiftung" durch Adsorptionsprozesse an der Elektrodenoberfläche
  • die hohe Wasserstoffüberspannung am Quecksilber (η(H2Hg) > 1 V) erlaubt es ohne störende H2-Entwicklung, relativ negative Potentiale zu erreichen, was besonders bei den Alkali- und Erdalkali-Ionen von großer Bedeutung ist.
  • Positive Potentiale von bis zu 0,4 V sind zugänglich (NKE, Normal-Kalomel-Elektrode als Gegenelektrode), was dem Wert der Auflösung des Quecksilbers entspricht, als indifferente Redox-Elektrode ist sie daher bei der Untersuchung an Redox-Systemen sehr geeignet.
  • Man erhält eine kleine abgeschiedene Stoffmenge n an Polarisator (aus der Umgebung der Tropfelektrode), i.e. cPolarisator nimmt nur unwesentlich ab. Man erhält identische Kurven auch bei beliebig wiederholten Messungen in ein und demselben Elektrolyten.
  • Die Polarographie erlaubt die Analyse sehr kleiner Volumina von 0,01 - 0,005 ml in speziellen Messsystemen bei der Mikroanalyse (dann allerdings nicht beliebig oft wiederholbar!).
  • Da die Diffusion die Analyse bedingt sind sehr kleine Volumina zugänglich, die Erfassungsgrenze liegt bei etwa 10−6mol/l.
  • In wässriger Lösung kann eine Polarisierung von 0,4 bis −2,6 V, in nicht wässriger Lösung bis −3,0 V (gegen NKE) erreicht werden, erreicht die Polarisierung einen Wert über 0,4 V, dann geht das Quecksilber anodisch in Lösung, liegt die Polarisierung unterhalb von −2,6 V (bzw. −3,0 V), dann wird das Wasser oder Lösungsmittel zersetzt.

II. 3. 2. Vorteile der Hg-Strahl-Elektrode

  • man erhalt einen glatten Kurvenverlauf (im Gegensatz zum Zick-Zack-Verlauf einer "normalen" DME)
  • der Einsatz im Wechselstrombereich mit dem Oszillographen ist möglich.

II. 4. Vielfalt polarographischer Methoden:

Neben der klassischen Polarographie, wie sie hier beschrieben wird, und die die Grundlagen zu allen weiteren polarographischen Methoden legte, gibt es eine Vielfalt an polarographischen Methoden, die heutzutage die klassische Polarographie teilweise bis ganz verdrängt haben. Da gibt es u. a. folgende:

  • Derivativpolarographie:
    • dI/dU = f'(U) → ergibt charakteristischen (vorteilhaften) Kurvenverlauf
    • c ~ h

  • Tastpolarographie:
    • Verbesserung des Auflösungsvermögens, Anlegen der Spannung nur gegen Ende der Tropfzeit
    • → linearer Kurvenverlauf im Bereich des Grenzstromes
    • → keine Dämpfung erforderlich

  • Rapidpolarographie:
    • für Betriebskontrollen Zeiten von 5 - 15 min.
    • Abklopfen des Tropfens → t1 = 0,2 - 0,25 s,
    • Messung wie bei Tastpolarographie

  • Wechselstrompolarographie:
    • der Gleichspannung wird eine kleine Wechselspannung überlagert (1 - 50 mV)
    • beide Stromquellen in Reihe geschaltet
    • ähnliches Polarogramm wie bei der Derivativpolarographie
    • nur reversible Prozesse erfassbar
    • gröszlig;eres Auflösungsvermögen (besseres Verhältnis edle/unedle Kationen, 100/1 (sonst 10/1)
    • Sauerstoff stört nicht

  • Oszillographische Polarographie:
    • Beschleunigung der Aufnahme von Polarogrammen
    • andere Polarogrammarten für speziellere Polarographische Bestimmungen (Bestimmung: Kinetik)

  • Inverse Polarographie
    • am stationären Hg-Tropfen
    • Anreicherung d. Analyten an der Elektrode
    • 100 - 1000fach höhere Empfindlichkeit
    • Einsatz bei Spurenanalysen
    • heute sehr gängiges, valides Standardverfahren

III. Der Kapazitätsstrom Ikap oder IC

Der Kondensator oder Ladungsstrom sagt eigentlich schon aus, dass die Elektrodenoberfläche wie ein Kondensator fungiert. Dabei wird eine elektr. Doppelschicht an der Phasengrenze Quecksilber/Lösung aufgebaut. An stationären Elektroden ist IC = 0.

Es gilt:
IKap. = IC =  
  dQ  
   =   E*  
  dC  Me
dt
dt

C = C A(Hg), A(Hg) = 0,85 m2/3 t−1/3

IC = E* C dA(Hg)/dt = E* C 3/2 0,85 m2/3 t−1/3

Þ<IC> ~ h

Auch die Art der Doppelschicht beeinflusst, wie e.g. Pyridin in pH = 7.

In der Praxis ist IC unerwünscht, da sie der polarographischen Empfindlichkeit eine Grenze setzt. Ist nDepolarisator < 10−5, dann wird die polarographische Stufe so klein, dass sie durch IC überlagert werden kann.

III. 1. 2. Die elektrische Doppelschicht

<-- Text ausarbeiten, anschauliche Graphik einfügen -->

III. 2. Integrale und differentielle Kapazität der elektrischen Doppelschicht

Für die Kapazität gilt, σ ist dabei die elektrische Ladungsdichte:

C' =  
   σ   
 ,     E* = E − Em
E*

Für die differentielle Kapazität gilt:

Cd =  
   dσ   
   =   
  d(C' dE*)  
   =  C' + E*
 dC' 
dE*
d(E*)
dE*

Für die integrale Kapazität ergibt sich:

C' = 
  1  
   Cd dE*
E*

Cd ändert sich besonders stark bei der Adsorption grenzflächenaktiver Stoffe. Cd ist experimentell zugänglich über die Messung mit einer Wienscher Impedanzbrücke.

IV. Einfluss des Elektrolytwiderstandes auf die polarographischen Kurven

Wir hatten festgestellt: EK = −EV + <I> R, wobei <I> R << EV Þ Strom-Potential-Kurven

Dabei sind folgende Punkte zu beachten:

  1. ÞFür größere Werte von <I>R benötigt man eine Korrektur der Kurven,
  2. <I> kann abgelesen werden,
  3. Rges = RGalvanometer + RKapillare + RElektrolyt, wobei RKapillare ≈ 10 Ω, RElektrolyt überwiegt.
Für ein konisches Gefäß, an dessen Spitze die DME befindlich ist, gilt:

Herleitung zum Elektrolytwiderstand in einer konischen Figur

  • I. d. Polarographie üblicherweise: 10−6 - 105 A, I R: 0,01 - 0,1 V
  • A, I R: 0,01 - 0,1 V
  • Andere, komplizierte Gefäße erfordern die experimentelle Bestimmung von R (Kalibrierung)
  • Bei polarographischen Untersuchungen mit n ≥ 0,1 normalen Elektrolytlösungen wird I R vernachlässigbar klein.
  • Bei nicht-wässrigen Lösungsmitteln macht sich IR jedoch deutlich bemerkbar, so dass eine Korrektur erforderlich wird.
  • Es gibt grundsätzlich zwei effektive experimentelle Methoden zur Messung von Rges(Messzelle):
    • Mit der Schaltung einer Wheatstone-Brücke, wobei mit ν(U ~) ≈ 100 Hz kann Rmin bestimmt werden.
      Es gilt dabei folgender Zusammenhang: Rges = 4/3 Rmin.
    • Mit der Extrapolationsmethode wird das Halbstufenpotential bei mehreren Depolarisatorkonzentrationen aufgenommen. Mit dem Zusammenhang "E1/2(gefunden) = E1/2(korr.) + <I> R" ist dann R zugänglich.

V. Wanderungsströme

V. 1. Der Einfluss von cZusatzelektrolyt

Die polarographische Analyse erfordert, wie bereits besprochen, die Zugabe eines Zusatzelektrolyten, welcher oft auch als Grundelektrolyt, indifferenter Elektrolyt oder Leitsalz bezeichnet wird.
Geeignet sind dabei die Perchlorate, Chlorate, oder Chloride einiger Alkali- oder Erdalkalikationen.
Besonders geeignet sind jedoch die Salze von Tetraalkylammoniumkationen.

Bei jeder polarographischen Stufe wird ein spannungsunabhängiger Strom, ein Grenzstrom erreicht.
Man unterscheidet dabei:

  • geschwindigkeitsbedingte Grenzströme (Potentialabfall in der Lösung bewirkt Aufbau eines elektrischen Feldes, und das eine Überführung durch Migration/Wanderung) und
  • diffusionsbedingte Grenzströme (besonders bei neutralen Depolarisatoren)

Durch einen Überschuss an Zusatzelektrolyten (um das 50 - 100fache relativ zur Depolarisatorkonzentration) wird der Wanderungsstrom IM = 0 und der Grenzstrom allein durch Diffusion bedingt.
Da die Diffusion eine stoffspezifische Eigenschaft ist, ist dies natürlich besonders wichtig für die analytische Aussagefähigkeit.

Heyrovský unterscheidet 4 Fälle von Grenzströmen:

  • Reduktion von Kationen

    DME sei die Kathode Es gilt: <IL> = <Id> + <IM>
    <IL> - mittlerer Grenzstrom; <Id> - mittlerer Diffusionsstrom; <IM> - mittlerer Migrationsstrom

    Durch Zugabe eines (indifferenten) Grundelektrolyten kann der Grenzstrom bei der Reduktion erheblich gesenkt werden.

    Diffusionsstrom und Grenzstrom der Kationen bei kathodischer Reduktion
    Abb. 07: Diffusionsstrom <Id> und Grenzstrom <IL> der
    Kationen bei kathodischer Reduktion

  • Reduktion von Anionen (IO3; BrO3; etc.)

    Kathodisch. Der Wanderungsstrom fließt der Diffusionsrichtung entgegen:

    <IL> = <Id> − <IM>

    Diffusionsstrom und Grenzstrom der Anionen bei kathodischer Reduktion
    Abb. 08: Diffusionsstrom <Id> und Grenzstrom <IL> der
    Anionen bei kathodischer Reduktion

  • Oxidation von Kationen

    <IL> = <Id> − <IM>, v.s.

  • Anodische Depolarisation durch Anionen

    Die Quecksilberelektrode als Anode, kann durch Anionen depolarisiert werden, e.g.:

    Fe(CN)64− → Fe(CN)63− + e3−

    Hg22− + 2 Cl → Hg2Cl2

    Dabei treten keine Wanderungsströme auf: <IM> = 0.
    Der Grenzstrom ist allein diffusionsbedingt: <IL> = <Id>.

V. 2. Exaltation des Wanderungsstromes

Kemula/Michalsky beobachteten eine Stromerhöhung des Wanderungsstromes (und damit des Grenzstromes) um <I2> − <I1> (sog. "Exaltation") bei Reduktion von Kationen, bzw. eine Stromerhöhung bei Anionen.

Exaltation des Wanderungsstromes eines Kations (am Beispiel Natrium)
Abb. 09: Schema der Exaltation des Wanderungsstromes eines Kations,
Kurve(a): verd. NaCl-Lösung (rein), Kurve(b): verd. NaCl-Lösung, an der Luft gestanden

Es gilt dabei folgender Zusammenhang: <IO2> − <I2> = <I>, <Iexalt.> = <I2> − <I1>.

Die Exaltation ist unabhängig von der Depolarisatorkonzentration, sie ist jedoch ein charakteristisches Merkmal für die Qualität des Analyten bzw. Depolarisators.

Wichtige Punkte

  • Es gibt einen Einfluss von Migration("Wanderung") des Depolarisators auf die Stärke polarographischer Grenzströme.
  • Die Reduktion dieses Einflusses erfolgt durch die überschüssige Zugabe an indifferenten Elektrolyten (etwa das 50 - 100fache i.Vgl.z. Depolariator), so dass der Transport des Depolarisatorions (oder -moleküls) nur noch diffusionsbedingt ist.
  • Der Strom, dessen Stärke einzig durch die Diffusionsgeschwindigkeit bedingt wird, nennt man Diffusionsstrom.
  • Es gibt wichtige Gründe für den überschüssigen Zusatzelektrolyten, die da wären:
    • Elimination des Potentialabfalls (IR), so dass diue Stromstärke allein von der Diffusionsgeschwindigkeit bestimmt wird,
    • Umwandlung der Strom-Spannungskurven (I = f(U)) in Strom-Potential-Kurven (I = f(E)),
    • Komplexierung, störende Komponenten können maskiert werden, so dass mehrere Stoffe nebeneinander bestimmt werden können.

VI. Der Diffusionsstrom

VI. 1. Allgem. Ansatz gem. Faradaysches Gesetz

I  =  n F  
  dN  
dt

dN/dt - Zahl an Depolarisatormolen pro Zeiteinheit, welche an der Elektrode elektrochemisch umgesetzt werden; F - Ladungsmenge in Faraday (ca. 96500 Coulomb), n - Zahl an e

Þ Diffusion! Þ dN/dt kann durch das Ficksche Gesetz berechnet werden, die Stärke des Diffusionsstromes ist zugänglich.

VI. 2. Diffusion an stationären Elektroden

  1. Lineare Diffusion

    Die Diffusion ist ein spontaner Prozess, sie ist bestrebt, einen Konzentrationsunterschied auszugleichen. Der Konzentrationsunterschied bewirkt einen Stofffluss von choch → cniedrig.

    vDiffusion ~ Konzentrationsgradient, ~ Eigenschaften diffundierender Teilchen.

    Die lineare Diffusion besagt, dass die Diffusion nur in eine Richtung verläuft.

    1. Ficksches Gesetz (1855)

      dN =  D A  
        dc  
       dt
      dx
      (mit: D - Diffusionskoeffizient)

      Der Konzentrationsgradient a.d. Elektrodenoberfläche ist durch einen partiellen Differentialquotienten gegeben:
      (
        ∂c  
      )
      ∂x
      x = 0

      I  =  n F  
        dN  
       = n F A D =  (
        ∂c  
      )
      dt
      ∂x
      x = 0

      Schematische Darstellung zur linearen Diffusion:
      Abb. 10: Schematische Darstellung zur linearen Diffusion.

    2. Ficksches Gesetz (dient zur Berechnung des Konzentrationsgradienten)

      Es werden dabei folgende Zusammenhänge herangezogen:
        ∂c  
       = D 
        ∂2c  
      ∂t
      ∂x2

      (
        ∂c  
      )   =         c − c0      
      ∂x
      x = 0
      (π D t)1/2

      I  =  n F A D        c − c0      
      (π D t)1/2

  2. sphärische Diffusion

    Þ Konzentrationsgradient a.d. starren, kugelförmigen Elektrode durch 2. Ficksches Gesetz zugänglich:

    Folgende Gesetzmäßigkeiten liegen dabei der sphärischen Diffusion zugrunde:
      ∂c  
      = D  [ 
      ∂c2  
     +   2    
      ∂c  
     ]
    ∂t
    ∂r2
    r
    ∂r

    (
      ∂c  
    )  = C (
      1  
     + 
          1      
    )
      ∂r  
    r = r0; t
    r0
    (π D t)1/2

    I = n F A D c (
      1  
     + 
          1      
    )
    r0
    (π D t)1/2

VI. 3. Lineare Diffusion zur Tropfelektrode - Die Ilkovič-Gleichung

Ilkovič stellte 1934 die wichtige Gleichung auf, mit der die Eigenschaften der DME mathematisch beschreibt.

Konzentrationsverteilung in der Nähe der Elektrode
Abb. 11: Konzentrationsverteilung in der Nähe der Elektrode.

Die Ermittlung von V kann aus der Betrachtung von zwei konzentrischen Kugeln erfolgen, wobei ra bis zur Oberfläche des Hg-Tropfens reicht und rb fiktiv angenommen wird, ΔV = const., weil also praktisch nicht komprimierbar.

Für eine Änderung von ΔV ergibt sich: ΔV = V2 − V1 = 4/3 π (r23 − r13)

r2 − r1 := x  =   = Þ r2 = x + r1

ΔV = V2 − V1 = 4/3 π [(r1)3 − r13) ≈ 4 π r12 x = A x = const.

  dx  
 + x 
  dA  
 = 0
dt
dt

v :=  
  dx  
  = − 
  x  
  
  dA  
dt
A
dt
Mit A = 0,85 m2/3 t2/3 ergibt sich:

v = − 2/3 x t−1

Dabei beschreibt folgende Gleichung den Stofftransport zur linear wachsenden Elektrode:
 ∂c   = D    ∂2c    +   2      x      ∂c 
 ∂t 
 ∂x2 
3
t
∂x2

Diese Formel beschreibt den Stofftransport zur linear wachsenden Elektrode.

Betrachten wir die Anfangsbedingungen:

  1. t = 0, x = 0
    Beginn der Elektrolyse, Ort: Oberfläche A der Hg-Elektrode/DME
  2. C = C*
    Die Konzentration C an der Elektrode ist gleich der Konzentration C* im Lösungsinneren.
  3. C* Û C0
    Die Konzentration an Depolarisator muss während der Elektrolyse a.d. Hg-Elektroden-Oberfläche bei x = 0 und t > 0 konst. bleiben.

Ferner gelten folgende Zusammenhänge:

(
  ∂c  
)   =         c − c0      
∂x
x = 0
(3/7 π D t)1/2

Die Diffusionsschicht wird in Folge des wachsenden Quecksilbertropfens dünner!

I  =  n F  
  dN  
 = n F A D =  (
  ∂c  
)
dt
∂x
x = 0

geht über in

I  =  n F A D        c − c0      
(π D t)1/2
I  =  n F A D        c − c0      
(3/7 π D t)1/2

A = 0,85 m2/3 t2/3

ID = 0,732 n F (c* − c0)D1/2 m2/3 t1/6.

Die Konzentration c0 ist potentialabhängig.

Bei negativeren Potentialen einer Reduktionsstufe und genügend positiven einer Oxidationsstufe verarmt der Depolarisator an der Elektrode: C0 Û 0.

ID = 0,732 n F c D1/2 m2/3 t1/6.

Für Diffusionsbedingte Ströme gibt es eine charakteristische Zeitabhängigkeit der Ströme.

Nach k t1/6 ist ein parabolischer Anstieg auf einen Maximalwert kurz vorm Abtropfen des Quecksilbertropfens zu konstatieren.
Die Stromstärke sinkt zwar nach I = k t−1/2, die Oberfläche des Tropfens wächst jedoch schneller (vgl. Graphik), denn A ~ t2/3.
Dieses erklärt die parabolische Zeitabhängigkeit von der Stromstärke I an einer tropfenden Elektrode, wie es bei der DME der Fall ist, und damit wird im Polarogramm entsprechend ein Zick-Zack-Verlauf enthalten sein.

Die charakteristischen Zecken hängen also mit der Tropfzeit und der damit veränderten Oberfläche der Tropfelektrode zusammen. Beeinflussen kann man diese Darstellung auf dem Polarogramm mit der Einstellung der Empfindlichkeit des entsprechend verwendeten Galvanometers.

Für die mittlere Stromstärke gilt:

<I> =     1    t1  I dt
t1
0

Gleichung für den mittleren Diffusionsstrom, eigentliche Ilkovič-Gleichung:
<I>D = 0,627 n F (c − c0) D1/2 m2/3 t1/6,         ist c0 = 0, gilt:
<I>D = 0,627 n F c D1/2 m2/3 t1/6

Wird F in die numerische Konstante gezogen (oftmals auch so in der Literatur auffindbar) ergibt sich <I>D zu:
<I>D = 607 n c D1/2 m2/3 t1/6.

Andere Schreibweisen (bes. angelsächsische Literatur) beziehen sich auf den Momentanstrom ID:
ID = 706 n c D1/2 m2/3 t1/6,
auch hier wird F in die numerische Konstante einbezogen.

Gültigkeit und Einschränkungen f. d. Ilkovič-Gleichung:

  1. nur an stationären Elektroden (vgl. Reproduzierbarkeit)
  2. für mittlere Ströme (bzw. in speziellen Fällen auch für den Momentanstrom)
  3. in verschiedenen, aber indifferenten Lösungsmitteln
  4. im Temperaturintervall von [−38°C ; 356°C], also für flüssiges Hg

Man sollte im Allgemeinen bei einer polarographischen Messung die Temperatur angeben, zu Temperaturabhängigkeit kommen wir später.

VI. 3. 2. Integrale Dicke der Diffusionsschicht

Es gilt folgende Formel für die integrale Dicke der Diffusionsschicht (nach von Stackelberg).

Konzentrationsverteilung in der Diffusionsschicht
Abb. 12: Konzentrationsverteilung in der Diffusionsschicht,
obere ausgezogene Kurve: oxidierte Form, untere: reduzierte Form.

VI. 4. Folgerungen aus der Ilkovič-Gleichung

  1. Abhängigkeit der Konzentration

    Gegeben seien m, t1 durch das Verwenden der gleichen Kapillare bei gleicher Höhe der Quecksilbersäule.

    • direkte Proportionalität zur analytischen Konzentration des Depolarisators in der Lösung.

      <I>D = <χ> c, mit dem sog. Ilkovič-Faktor:
      <χ> = 0,627 n F D1/2 m2/3 t1/6.

    • Zum Ermitteln der Konzentration eines oder mehrerer Depolarisatoren in einem zu untersuchenden Analyten erstellt man zweckmäßigerweise eine Kalibrierungskurve ("Eichkurve"), dabei trägt man die Abhängigkeit der Stufenhöhe gegen die Konzentration auf.
      Ein häufiger Fehler, der dabei gemacht wird ist, dass der Diffusionsstrom (z.B. bei graphischer Auswertung) um den Kapazitätsstrom korrigiert werden muss, dazu muss auch eine polarographische Kurve an depolarisatorfreiem Grundelektrolyt aufgenommen werden. Es empfiehlt sich ohnedies, eine Kurve des Grundelektrolyten aufzunehmen, um festzustellen, ob störende Stufen auftreten können, oder ob die Qualität des Grundelektrolyten den Anforderungen der polarographischen Messung genügt.
    • Die Tropfzeit sollte nicht kürzer als 2 s liegen, idealerweise liegt sie zwischen 3 - 5 s, sonst kann es vorkommen, dass Turbulenzen im Elektrolyten die Ausbildung der Diffusionsschicht stören können.
    • Man sollte immer im Hinterkopf behalten: Stoffe gleicher Konzentration und gleichem D liefern ein gleiches <I>D. Die Diffusionskonstanten dürfen nicht zu nah beieinander liegen, evt. muss ein geeigneter Grundelektrolyt oder ein Komplexierungsmittel gewählt werden, um somit einen Einfluss auf die Diffusion beider Depolarisatoren zu gewinnen.
    • Ist D bekannt (Tabellenwert), kann man problemlos n bestimmen.

  2. Abhängigkeit von Behälterhöhe, Kapillarkonstanten, Potential

    Es gilt jeweils für die
    Ausflussgeschwindigkeit m:
    m = k h
    Tropfzeit t1
    t1 = K h-1
    daraus folgt:
    <ID> = K m2/3 t1/6 = K (k h)2/3 (  K  ) 1/6
    h
    <ID> = K* h1/2
    Der mittlere Diffusionsstrom ist proportional zu h1/2
    <ID> ~ h1/2

    Bei einer analytischen Bestimmung muss man daher auf eine bestimmte Behälterhöhe geachtet werden und die gleiche Kapillare beibehalten werden. Man kann über diese Eigenschaft indirekt bestimmen, ob ein Diffusionsstrom zugrunde liegt.

    Bei der Verwendung verschiedener Kapillaren ist die Angabe von m (Massenstrom) und t1 (Tropfzeit für einen Tropfen) erforderlich. Es genügt folgende Verhältnisgleichung:

     ID1   =   m12/3 (t1)11/6 
     ID2   m22/3 (t1)21/6 

    Ferner existiert eine potentialbedingte Tropfzeitänderung.

    Starke Unterschiede in den Potentialwerten führt durch eine Änderung der Quecksilberoberflächenspannung zu einer Änderung der Tropfzeit, wie ID steigt bzw. sinkt, ist an der Elektrokapillarparabel ersichtlich. Die Änderung von ID ist nur geringfügig, denn t1 geht in <ID> = k t11/6 mit der sechsten Wurzel ein.

    Bild: Elektrokapillarparabel Das Potential E muss für den Fall berücksichtigt werden, wenn zwei Stoffe in gleicher Konzentration c, aber erheblich auseinanderliegenden Depolarisatorpotentialen vorliegen.

VI. 5. Einfluss der Temperatur auf dem Diffusionsstrom

Allgemein gilt: T ↑  Þ  ID ↑. In der Gleichung "<I>D = 0,627 n F (c − c0) D1/2 m2/3 t1/6" sind die Größen D1/2 m2/3 t1/6 temperaturabhängig, D1/2 m2/3 t1/6 = f(T).

Es gilt:

  1       dID   =   1     dD   +   2     dm   +    1     dt1
<ID>
dT
2D
dT
3m
dT
6t1
dT

Man kann diese Gleichung mit Koeffizienten vereinfachen: Aus
ω =:   1      dID     α =:   1      dD      β =:   1      dm      σ =:   1     dt1
<ID>
dT
2D
dT
3m
dT
t1
dT

wird: ω = 1/2 α + 2/3 β + 1/6 σ

Ferner gilt folgender Zusammenhang:

α =   1   +   1     dΛ 
T
Λ
dT

- Diffusionskoeffizient)

Es gilt folgender Zusammenhang zwischen Diffusionskoeffizient und Temperatur:

D =    R T     Λ
n F2

Für die meisten Ionen gilt: 2,78% ≤ α ≤ 2,99%, für H+: α = 1,88%.

m ~    1       m =   6    Þ β =   1     dm   =  −    1     dη   =  −ε
η
η
m
dT
η
dT

m(Tropfen) = m t1 g = 2 π r γ = α' γ
(m: Ausflussgeschwindigkeit, "Massenstrom"; m(Tropfen): Masse des Hg-Tropfens; γ - Oberflächenspannung Hg)

t1  α γ   =   α γ η 
m
6

δ = 
6
    d(α γ η /6)   =   1     dη   +   1     dγ   = ε + φ
 α γ η 
dT
η
dT
γ
dT

(φ - Temperaturkoeffizient der Hg-Oberflächenspannung)

ω =   1   (α − ε)   1   + φ
2
6

ε = − 0,48%     (ε - Temperaturkoeffizient der Viskosität des Quecksilbers)

 1   φ << α, δ
6

ω =   1   (α + 0,48) %
2

Für die meisten Ionen gilt: ω ≈ 1,7%, für H+ ≈ 1,18%.

Bestimmung von α:

α =    1   +   1      dΛ   =   1   + ν
T
dT
T

(ν - Temperaturkoeffizient der Äquivalentleitfähigkeit)

Waldensche Beziehung: Λ η' = konst.

Λ   dη'   + dη'   dΛ   = 0
dT
dT

ν =  
1
 −   dΛ   = −   1     dη'   = 2,43%
dT
η'
dT

Der Temperaturkoeffizient der Äquivalentleitfähigkeit entspricht dabei dem Wert des Temperaturkoeffizienten der Viskosität des Wassers.

α(21C) = 2,77%

ω =   1   (2,77 + 0,48) % = 1,63%
2

Dieser Wert ist mit dem experimentell bestimmten Temperaturkoeffizient von Nejedlý im Bereich [20 - 50C] im Durchschnitt mit 1,63%/1C vergleichbar.

Facit: Trotz des niedrigen Temperaturkoeffizienten muss bei quantitativen Bestimmungen die Temperatur auf ± 0,5C konstant gehalten werden, damit der Fehler bei der Ermittlung von <ID> 1% nicht übersteigt.

VI. 6. Einfluss der Temperatur auf dem Diffusionsstrom

Wir hatten einige Beziehungen zur Abhängigkeit kennen gelernt, die jedoch auf eine begrenzte Genauigkeit zutreffen. Dabei gilt:

<ID> ~ c bei ± 1%,
<ID> ~ m2/3 t11/6 bei ± 3%,
und
I := 
<ID>
 0,627 n F D1/2 bei ± 5%.
c m2/3 t11/6

Daher wurde Gleichung entwickelt, die diese begrenzten Genauigkeiten vermindern sollte.

Die Herleitung der Ilkovič-Gleichung vernachlässigte die Krümmung der Elektrode und sah nur eine lineare Diffusion vor. Aus der Ilkovič-Gleichung der linearen Diffusion zur stationären Elektrode konnte jedoch eine Gleichung hergeleitet werden, die die Verringerung der Diffusionsschicht an der wachsenden Elektrode mit Hilfe des Korrekturfaktors (7/3)1/2 berücksichtigte. Auch aus der Gleichung für die sphärische Diffusion zur wachsenden kugelförmigen Elektrode kann analog vorgegangen werden.

I = n F A D c (
  1  
 + 
      1      
)
r0
(π D t)1/2

geht über in:

<I>D = 0,627 n F c D1/2 m2/3 t11/6 (  1+ 3,9  D1/2 t11/6 )
m2/3

Koutecký arbeitete eine exakte Ableitung aus:

ID = 0,732 n F c m z (1 + 3,9z + 1,5z2)

<I>D = 0,627 n F c m z1 (1 + 3,9z1 + 1,5z12)

mit:

      z =  D1/2 t1/6
m2/3

      z1 D1/2 t11/6
m2/3

VI. 6. 2. Vergleich experimenteller Befunde mit der Ilkovič-Gleichung sowie der korrigierten Ilkovič-Gleichung

Die unkorrigierte Gleichung zeigt im Vergleich mit Messungen eine bessere Übereinstimmung der gemessenen sowie der errechneten Werte.

VI. 7. Die tropfende Amalgamelektrode
Der tropfenden Amalgamelektrode liegt eine anodische Polarisation zugrunde. Die Hg-Tropf-Elektrode beinhaltet dabei ein gelöstes Metall. Die Metallionen werden zum entrechenden Ion oxidiert. Der Diffusionsstrom ist durch den Konzentrationsgradienten zur Konzentration des in dem Amalgamtropfen gelösten Metalls verschieden.

Es gilt hierbei:
<I>D = 0,627 n F c D1/2 m2/3 t11/6 (  1 −  A D1/2 t11/6 )
m2/3
mit A = 3,4.

VI. 8. Diffusionskoeffizienten

Wie wir bereits kennen gelernt haben, ist der Diffusionskoeffizient eine zentrale Größe in der Polarographie.

Mit der Äquivalentleitfähigkeit, einer zentralen elektrochemischen Größe, Λ, also bei unendlicher (fiktiv) Verdünnung ergeben sich die folgenden Zusammenhänge:

D   R T     Λ      (Nernst)
n F2

D(25C) =  2,67 10−7 Λ
n

D ~ T

...

Indirekte Methode zur Bestimmung von D (nach Rulf)

...

Man geht bei dieser Bestimmungsmethode wie folgt vor. In einer Messanordnung, welche einen Stoff erfasst, der durch eine Fritte (Pore durchteilt zwei gleichgroße Räe) diffundiert. Nach Zeitintervallen wird zeitabhängig die Konzentration ct. Siehe Bild.

Schema der Bestimmung von D nach Rulf
Abb. 13: Schema der Bestimmung von D
(nach Rulf über Referenzsubstanz, Dbekannt)

Es gilt dabei folgender Zusammenhang:

K D t = lg c0 − lg (c0 − 2ct)
K - Gerätekonstante, wird dann über ein bekanntes D ermittelt.

VI. 9. Einfluss von Viskosität und Komplexbildung auf den Diffusionsstrom

D =   K 
η

<ID> (η)1/2

Es tritt bei Komplexierung eine Änderung des Solvatationsverhaltens ein (größere Moleküle), diese bedingte einen Einfluss auf die Diffusionskonstante D und damit auf die polarographische Bestimmung,

VI. 10. Der Diffusionsstrom an der Quecksilberstrahlelektrode

 

 

VII. Gleichungen der polarographischen Kurven

Als grundlegende Gleichung dient auch hier eine besonders wichtige Beziehung der Elektrochemie, die Nernstsche Gleichung, seltener wird sie auch als Peterssche Gleichung angegeben.

E = E0 − 
 R T 
   ln   
 cRed0 
n F
 cOx0 

Diese Gleichung setzt ein reversibles thermodynamisches Gleichgewicht vorraus, das gilt eigentlich für den stromlosen Zustand. Daher muss eine notwendige Bedigung bei einer Durchtrittsreaktion (Oxidation oder Reduktion) gelten: zum einen Reversibilität der Durchtrittsreaktion, zum anderen muss sie mit großer Geschwindigkeit ablaufen. Es muss ein mobiles Gleichgewicht zwischen oxidierter und reduzierter Form vorliegen.

VII. 2. Gleichung der kathodischen Stufe

Ilkovič: <I> = <χ> (cOx − cOx0)

<χ> = 0,627 n F D1/2 m2/3 t11/6

Kontinuitätsgleichung: <I> = <χ>' (cRed0 − cRed)

<χ>' = 0,627 n F D'1/2 m2/3 t11/6

Da nur die oxidierte Form des Depolarisators vorliegt, gilt: cRed = 0.

<I> = <χ> cRed0

E = E0 − 
 R T 
   ln   
<I>
    <χ> 
n F
<χ> cOx − I
<χ>'

<χ> cOx = <ID>

E = E0 − 
 R T 
   ln   
<I>
   (D / D')1/2         mit (D / D')1/2 ≈ 1
n F
<ID> − <I>

<I> = 
 <ID
2

E1/2 = E0 − 
 R T 
 ln 
 (D / D')1/2 
n F

Das ergibt: E1/2 = E0.

Man kann daher einige wichtige Fakten schlussfolgern. Das Halbstufenpotential ist unabhängig von der Depolarisatorkonzentration, den ganzen gerätespezifischen Konstanten, es ist daher eine stoffcharakteristische Größe, die eine qualitative Aussage darstellt (Art des Depolarisators)

Das Halbstufenpotential ist gleich dem Standardpotential, falls der Depolarisator nicht mit dem Quecksilber amalgamiert. Amalgamiert es doch, dann entspricht es dem Standardpotential der entsprechenden Amalgamelektrode.

VII. 3. Gleichung der reversiblen Stufe

...

Liegen ein reduzierendes sowie ein oxidierendes System vor, dann gilt:

...

Sind mehrere Depolarisatoren in Lösung vorhanden, deren Standardpotentiale weit genug auseinanderliegen, erhält man mehrere polarographische Stufen. Es gilt das Prinzip der Additivität der Diffusionsstromstärken (Gesamtstromstärke).

VI. 4. Vergleich zur potentiometrischen Titration

Die Polarographie kann mit der potentiometrischen Titration verglichen werden. (Wichtig!)

Dabei entspricht die polarographische Kurve der potentiometrischen Titrationskurve, falls auf der Stromstärkenachse die Menge des Titriermittels aufgetragen wird.

Bei potentiometrischen Titrationen wird dem zu titrierenden Stoff durch das Titrationsmittel Elektronen (e) übertragen,
bei polarographischen Verfahren erfolgt dagegen die Elektronenübertragung nur in der Elektrodenumgebung (daher auch die Bezeichnung "Titration durch Elektronen").

Das Standardredoxpotential, welches bei der potentiometrischen Titration 50% des Titriermitteläquivalentes entspricht, ist praktisch mit dem polarographischen Halbstufenpotential identisch.

Vertiefung wird bei Zeiten fortgesetzt...